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Andrew MacWhirter saß auf der Terrasse des Hotels Easterhead und blickte über den Fluss auf die Klippe Stark Head, die sich am gegenüberliegenden Ufer dräuend erhob.

Er versuchte, seine eigenen Gedanken und Gefühle zu ergründen. Er wusste nicht recht, was ihn eigentlich bewogen hatte, an diesem Ort seinen letzten freien Tag zu verbringen. Doch etwas hatte ihn hierhergezogen. Vielleicht der Wunsch, sich selbst zu prüfen… zu sehen, ob in seinem Herzen noch ein Rest der alten Verzweiflung wäre.

Mona? Wie wenig fragte er jetzt nach ihr. Sie hatte den andern geheiratet. Eines Tages hatte er sie auf der Straße getroffen und nicht die geringste Gemütsbewegung verspürt. Er erinnerte sich zwar recht gut an den Kummer und die Bitterkeit, die er empfunden, als sie ihn verließ, aber das alles war nun vorbei. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen durch einen nassen Hund und den erschrockenen Ruf seiner neuen Freundin – Miss Diana Brinton, ganze dreizehn Jahre alt.

«Pfui, Don, fort! Fort mit dir! Ist das nicht grässlich? Er hat sich am Strand auf einem Fisch gewälzt. Man riecht es meilenweit. Der Fisch war grässlich tot!»

MacWhirters Nase bestätigte diese Feststellung.

«In einer Felsenspalte», erklärte Diana Brinton weiter. «Ich nahm ihn mit ins Wasser und versuchte, ihn zu waschen, aber das scheint nicht viel genützt zu haben.»

MacWhirter stimmte zu. Don, ein Drahthaarterrier von liebenswürdigem Charakter, sah beleidigt aus, weil seine Freunde ihn auf Armeslänge von sich fernzuhalten trachteten. «Meerwasser nützt nichts», sagte MacWhirter. «Heißes Wasser und Seife müssen es sein.»

«Ich weiß. Aber das lässt sich im Hotel nicht so leicht machen. Wir haben kein eigenes Badezimmer.»

Das Ende vom Lied war, dass MacWhirter und Diana den Hund durch einen Nebeneingang in MacWhirters Badezimmer schmuggelten und ihn tüchtig abrubbelten, wobei das ungleiche Paar durch und durch nass wurde. Don bedauerte es sehr, dass er nun nach Seife statt nach Fisch roch.

Der kleine Zwischenfall hatte MacWhirter in fröhlichere Stimmung versetzt. Er fuhr mit dem Bus nach Saltington, wo er einen Anzug von der Reinigung abholen wollte.

Das Mädchen hinter dem Ladentisch blickte ihn leicht verlegen an.

«Mr MacWhirter? Oh, leider ist Ihr Anzug noch nicht fertig.»

«Er sollte aber längst fertig sein.»

Man hatte ihm den Anzug schon für den vergangenen Tag versprochen.

«Nun, etwas Zeit müssen Sie uns schon lassen», entgegnete das Mädchen mit ausdruckslosem Lächeln.

«Unsinn!»

«Na, jedenfalls ist der Anzug noch nicht fertig.»

«Dann nehme ich ihn mit, wie er ist.»

«Aber er ist überhaupt noch nicht vorgenommen worden», wandte das Mädchen ein.

«Das ist mir egal. Ich nehme ihn mit.»

«Morgen hätten Sie ihn in tadellosem Zustand.»

«Nein, geben Sie ihn mir. Ich lasse mich auf keine Versprechungen mehr ein.»

Mit verärgerter Miene begab sich das Mädchen ins Hinterzimmer. Nach kurzer Zeit kehrte es mit einem nachlässig verschnürten Paket zurück, das sie über den Ladentisch schob.

MacWhirter nahm das Paket und ging.

Lächerlicherweise hatte er das Gefühl, einen Sieg errungen zu haben. Tatsächlich aber musste er den Anzug nun irgendwo anders reinigen lassen.

Nach seiner Rückkehr ins Hotel warf er das Paket aufs Bett und betrachtete es mit Widerwillen. Vielleicht konnte er den Anzug im Hotel säubern und bügeln lassen. Allzu schlimm sah er ja nicht aus – am Ende bedurfte er noch gar keiner chemischen Reinigung?

Er knüpfte das Paket auf. Sein Gesicht nahm einen zornigen Ausdruck an. Wirklich, diese Reinigung, die angeblich jeden Anzug binnen vierundzwanzig Stunden säuberte, taugte aber auch gar nichts! Das war nicht sein Anzug. Er hatte nicht einmal dieselbe Farbe! Er hatte einen dunkelblauen Anzug abgegeben. Solche Schlamperei.

Gereizt untersuchte er das Schildchen. Es trug ganz richtig den Namen MacWhirter. Gab es noch einen MacWhirter? Oder hatte man die Schildchen verwechselt?

Plötzlich schnüffelte er.

Diesen Geruch kannte er doch… ein besonders unangenehmer Geruch war’s… irgendwie hing er mit einem Hund zusammen. Richtig, ja… Fischgestank!

Er beugte sich über den Anzug und betrachtete ihn näher. Da war der Fleck… an der Schulter des Rockes. An der Schulter…

Das ist aber wirklich sonderbar… dachte MacWhirter.

Na, am nächsten Tage wollte er mit dem Fräulein von der Reinigungsanstalt ein Wörtlein reden! So eine Schlamperei!